Orientierungslos

Als Projektleiter bin ich richtungsweisend und strukturgebend unterwegs. Mit ein Grund, warum ich meinen Job mag. Und doch gibt es auch mit wachsender Erfahrung immer wieder Momente, in denen ich mich selber orientierungslos fühle. Gerade kürzlich: In einem Meeting war ich mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen konfrontiert. In meiner Rolle als Moderator und Projektleiter fühlte ich mich verpflichtet, nach einer Gesprächspause das Wort zu ergreifen mit einem Vorschlag, wie weiterzumachen ist. Was ich dann formulierte habe war kein zielführender sondern ein schlechter Vorschlag, den ich in Ruhe nachgedacht nie so eingebracht hätte. Nach meinem Vorschlag ergriff jemand anders aus meinem Projektteam das Wort und brachte seinen Gegenvorschlag, der weitsichtig und zielführend war und die Situation entschärfte.

Direkt nach diesem Meeting fühlte ich mich sehr klein. Ich warf mir vor, einerseits die Situation vorgängig nicht korrekt erkannt und mich vorbereitet zu haben. Andererseits fühlte ich mich überflüssig und haderte damit, dass ich mit meiner jahrelangen Erfahrung nicht selber auf den viel besseren Vorschlag meines Team-Kollegen gekommen bin und sogar in meiner Primär Disziplin auf den Ratschlag von jemandem angewiesen bin, der fachlich eigentlich eine ganz andere Ausrichtung hat.

Nach Gesprächen im Team und einer Nacht darüber schlafen nehme ich nun aber eine andere Sichtweise ein: Der Vorfall zeigt ganz praktisch, dass ich in einem interdisziplinären Team arbeite, dass sich gegenseitig unterstützt und weiss: es zählt nicht die Hierarchie oder die Rolle, sondern die gemeinsame Zielerreichung und der Beitrag jedes Einzelnen. So habe ich die Chance, aktiv von anderen zu lernen und von ihren Erfahrungen zu profitieren.

In einem Projektteam sind nicht die Einzelleistungen im Fokus, es geht um die Gesamtleistung in der jeder – unabhängig seiner fachlichen primären Kompetenz – seinen Teil dazu beiträgt, das Ziel zu erreichen. Teil eines solches Teams zu sein ist ein Privileg.